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Studentischer Widerstand nach 1945 in der SBZ/DDR im Spiegel der Überlieferung

Gerald Wiemers

Der  politisch motivierte studentische Widerstand an  den Universitäten der SBZ/DDR blieb bis zum Ende der DDR  ein Tabuthema. Nur durch die mündliche Überlieferung von Verhafteten   kam die Wahrheit ans Licht. Nach der friedlichen Revolution  meldeten sich die Betroffenen oder deren Angehörige bei den Universitätsleitungen  und berichteten über geheime Verhaftungen durch den russischen Geheimdienst oder die K5, der Vorläuferorganisation des Staatsicherheitsdienstes der DDR. Seit Mitte der 90er Jahre setzten gezielte, meist personell bezogene Nachforschungen ein. Diese bezogen sich auf die schriftliche Überlieferung der  Universitäten, auf  gesellschaftliche Organisationen wie den Studentenrat, die FDJ, die SED  und schließlich auf die Unterlagen des Bundesbeauftragten des Staatssicherheitsdienstes  der ehemaligen DDR (BStU). Nach dem Verbot der Blockparteien an den  Universitäten und der Verhaftung ihrer Spitzenfunktionäre  hatte  dort allein die SED  das Sagen. Die Universitätsparteileitungen wurden zu Kreisleitungen mit entsprechenden Machtbefugnissen  erhoben. Ihre jeweiligen Unterlagen befinden sich in den zuständigen Staatsarchiven der Länder. Gleiches gilt für die Unterlagen der SED-Bezirksleitungen.

Von besonderer Bedeutung sind die Akten des Sowjetischen Geheimdienstes, die vereinzelt in den Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit im Original und in Kopie erhalten sind, und die Unterlagen der berüchtigten sowjetischen Militärgerichte in Deutschland. In unterschiedlicher Dichte    und in sehr unterschiedlichen russischen Archiven befinden sich Unterlagen über die in Lager verschleppten Studenten. Im Zuge der russischen Rehabilitierung politisch verfolgter Studenten wurde das deutlich.

Aber selbst bei günstiger Aktenlage, so die Erfahrung,  bleiben die mündlichen oder schriftlichen  Aussagen der verhaften und verurteilten Studenten  ein unverzichtbarer Bestandteil, um das Geschichtsbild abzurunden. In manchen Fällen ist der Historiker  auch ganz auf die narrativen Quellen angewiesen.

Die universitäre Überlieferung enthält meist keine konkreten Angaben zur Verhaftung eines Studenten. Die Studentenakten oder Karteien und gegebenenfalls die Studentenprüfungsakten enthielten Vermerke wie „Ex“oder „ausgesch[ieden]“ , die über die Gründe nichts aussagen und Nachforschungen erfordern. Manchmal fehlen die Akten, wenn sie von Stasibeauftragten  entnommen worden sind[1]. Studentenunterlagen konnten in der ehemaligen DDR auch kassiert werden, weil die Arbeits- und Lebensdaten in den späteren Kaderakten lückenlos nachgewiesen sind. Die Studentenakten oder Karten befanden sich in der Obhut der Verwaltung und gelangten nach 8-10 Jahren in das zuständige Universitätsarchiv. Die Studentenprüfungsakten entstanden  bei den jeweiligen Fakultäten und wurden mit den Studentenakten zusammengeführt  oder , wie in Leipzig, separat aufbewahrt. Auf die Führung der Studentenakte hat der Student keinen Einfluss. Zuweilen fehlt die Paginierung und so ist die Gefahr groß, dass die Akte manipuliert werden konnte .

In den Senats- und Fakultätsprotokollen  spielen einzelne  Studenten nur eine untergeordnete Rolle. Besondere Ereignisse, wie Verhaftungen aus politischen Gründen, blieben in der Regel unerwähnt, auch wenn die Fälle offen lagen. Selten sind die Protokolle noch unbearbeitet; dann  sind sie allerdings auch  nicht benutzbar.[2] In den Universitätsarchiven werden Nachlässe von Personen gesammelt, um das universitäre Schriftgut zu ergänzen. In einer Phase, wo Entscheidungsprozesse, so  die Verhaftung und Verurteilung von Studenten, nicht mehr in die Zuständigkeit der Universität fallen, gewinnen diese Überlieferungen zunehmend  an Bedeutung.[3] 

Die Universitätsverwaltung legte Wert darauf, dass der neu immatrikulierte Student zwei Passfotos vorlegte. Davon war eines für die Studentenakte bestimmt und das zweite für das Studienbuch, das im Eigentum des Studenten verblieb. In der SBZ/DDR war es für Studenten nicht immer leicht, Passfotos pünktlich zum Immatrikulationstag vorzulegen, sodass diese „Sache“  in Vergessenheit geriet und ganz unterblieb. Zum Zeitpunkt der Verhaftung, auch etwas früher oder später,  konnte die K 5 und später die Staatsicherheit die gesamte Akte mit Bild einziehen  oder auch nur das Bild aus der Akte entnehmen. Teilweise sind die professionell angefertigten Passfotos auch mutwillig beschädigt.  Ein generalisierendes Vorgehen ist nicht erkennbar.

Heute werden die Fotos in den Universitätsarchiven überwiegend  in Fotosammlungen gesondert gelagert und digitalisiert, sodass sie für die Benutzung schnell verfügbar werden.

Die zentrale Überlieferung zur SED-Hochschulpolitik ist konzentriert aufbewahrt  in der „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen im Bundesarchiv (SAPMO-BArchiv). Für das Ende des demokratisch legitimierten Studentenrats an den  Universitäten der SBZ/DDR sind in der SAPMO, um ein Beispiel zu nennen, besonders aussagekräftige Quellen gespeichert.[4]

Haftfotos sind nicht nur erkennungsdienstliche Dokumente der Peiniger, der allgegenwärtigen diktatorischen Staatsmacht, sondern aus historischer Sicht, ein Denkmal des Einzelschicksals  in Papierform, das den Nachgeborenen einen kaum ersetzbaren bildnerischen Eindruck vermittelt. Der gebrochene Blick oder das aufsässige Blitzen in den Augen, der Vergleich mit einem Foto vor der Verhaftung oder nach der Verhaftung erlauben Schlüsse über den Zustand des einzelnen Studenten, die in der Schriftform so nicht vermittelt werden können.

Nach der Verhaftung durch die Staatssicherheit war ein „Fototermin“ festgelegt.. Nach der Einlieferung wurden in einem besonderen Raum – so im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen –  nach einem bestimmten  Ritual Fotos mit einer festinstallierten Kamera von vorn und von der Seite angefertigt. In anderen Haftanstalten ist dieser Vorgang ähnlich verlaufen.[5] Zusätzlich  wurden noch die Fingerabdrücke genommen.

Verblieben die Gefangenen in einer DDR-Haftanstalt, so entstand noch ein Foto bevor sie frei kamen für den Behelfsausweis oder „Entlassungsschein“.[6]  Dagegen erhielten Gefangene aus MfS-Haftanstalten bei ihrer Entlassung kein solches Papier. Ihr Entlassungsschein ist in der Regel in den personenbezogenen Stasi-Unterlagen abgelegt.[7] 

Als wir 1995 im Universitätsarchiv  Plan fassten, eine Ausstellung zum studentischen Widerstand in Leipzig  zu erstellen, fehlte uns ein Bild von Herbert Belter, der zentralen Gestalt. Seine Eltern lebten nicht mehr.  Geschwister hatte er keine.  Seine letzte Verwandte, Frau Dr. Maria Wolf in Freiburg in Breisgau, besaß kein Foto von ihm.  Ein wenig half der Zufall.

Zwischen der Stasi-Zentrale in Leipzig und der Bezirksbehörde [der VP] der Volkspolizei, befand sich das Zimmer Nr. 112.  Es war eine Art Vorposten des NKWD. Dort lagerten    mehrere Aktenbände, die 1992/93 offenbar vom sowjetischen Geheimdienst nicht mitgenommen worden waren. Darunter befanden sich auch zwei Bände mit  Unterlagen zum studentischen Widertand. Der eine, offenbar Band III, bestand vollständig aus Fotokopien und Band II enthielt originale Dokumente. Band I war und blieb unauffindbar. In diesem  zweiten Band fanden  wir vier unbeschriftete Bilder. Zwei passten von der Alterstruktur  nicht in unsere Suchaktion.  Die beiden anderen Fotos  haben wir  abfotografiert, Abzüge angefertigt  und an die Herren Professoren  Werner Gumpel, Siegfried Jenkner und an Frau Dr. Wolf geschickt. Das Ergebnis stimmte in allen drei Fällen überein. Später hat von dem  eindeutig bestimmten Belter-Foto ein Leipziger Starfotograf  eine  ausgezeichnete Reproduktion angefertigt. 

Das Foto selbst zeigt Belter  als gut aussehenden jungen Mann in Freiheit. Offenbar befand es sich bei der Verhaftung in seinen persönlichen Unterlagen. Vielleicht war es für den universitären Fragebogen gedacht. Wir wissen es nicht.  Bis heute ist von Herbert Belter kein Foto aus der Haft bekannt geworden. 

Die Stasi-Unterlagen sind überwiegend  nach dem Wohnortprinzip unter steter Einbeziehung der Arbeitsstelle bzw. der Universität angelegt. Spitzelberichte sind meist  vorverurteilend, aufgebauscht, umfassend, aber ungenau. Der Gegner soll diffamiert, die Motive seines Wirkens aber nicht erklärt werden: So wird das Eintreten für Demokratie und rechtsstaatliches Handeln in eine Gegnerschaft zur DDR umfunktioniert. Zuweilen werden in Spitzelberichten mehr Sitzungen angezeigt, als wirklich stattgefunden haben.

Entgegen der Aktenlage und Zeitzeugenberichten versuchen Teile der  abgewickelten DDR-Eliten die Definitionsmacht über die Geschichte zu erlangen. Die DDR-Vergangenheit wird geschönt, verklärt und die eigenen Verfehlungen werden gegen  die Verfehlungen der Bundesrepublik aufgerechnet.[8]

Zeitgeschichtsbilder werden verdrängt und man kehrt zu alten, längst überholten Positionen zurück. Der Diktator und Massenmörder Stalin wird in seiner Heimat nationalistisch verehrt und kultvoll bewundert. Der Große Vaterländische Krieg wird überhöht dargestellt. Die vorurteilsfreie wissenschaftliche Arbeit wird häufig behindert. Die Arbeit in russischen  Archiven verkommt „zum Privileg ideologisch zuverlässiger Forscher“. Die vorurteilsfreie Forschung  wird dadurch gefährdet.[9] Hinzu kommt ein Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften in den russischen Archiven; vorhandene sind überaltert. Die Benutzerzahlen gehen zurück. Die Öffnungszeiten werden eingeschränkt und die finanzielle Ausrüstung der Archive ist oft mangelhaft.

Mit dem Ende der Sowjetunion keimten Hoffnungen auf, die Archive könnten bei der Aufarbeitung der Geschichte der Sowjetdiktatur und der Verankerung demokratischer Strukturen eine wichtige Rolle als „Gedächtnis der Nation“ spielen. Davon ist man heute in Russland weit entfernt.

Anfang der 90er Jahre waren Millionen von laufenden Metern Akten zugänglich und lösten eine Art „Archivrevolution“ aus. Dieser Prozess verläuft  leider restriktiv. Die russische Bürokratie will die Beschädigung des einst offiziellen Geschichtsbildes verhindern. Dazu dient die russische Archivgesetzgebung, so das Gesetz über „Das Archivwesen in der Russischen  Förderation“ aus dem Jahre 2004, das beispielsweise einen Personenschutz von 75 Jahren festschreibt. Damit sichert man sich die Kontrolle über die Geschichtsschreibung. Das Gesetz schützt, wie Marietta Tschudakowa schreibt, den „Henker vor seinem Opfer.“[10] Andererseits erklärt der frühere  sowjetische Historiker Jakow S. Drabkin (geb. 1918) den wieder erschwerten  Zugang zu Archiven in Russland damit, dass Archive nicht Steinbrüche für schnell zusammengeflickte Dokumentationen sein dürfen, aus denen man politisches Kapital zu schlagen versuche. Außerdem seien große Aktenbestände nicht gesichtet und archivalisch aufgearbeitet.[11] Das sind ideologisch motivierte Scheinargumente. Sie erlauben, eine personelle Auswahl unter den jeweiligen Forschern zu treffen.

Die heutigen russischen Praktiken sind keineswegs neu. Sie reichen weit in die Zarenzeit zurück, wie Alla Ke[o]iten berichtet: „Jedes Dokument, das aus der Sicht des Staates in die falschen Hände geriet, war eine potenzielle Bedrohung für die Macht.“ Allein der Archivar ist legitimer Benutzer des Archivs. Fremde Benutzung führt dagegen zu einem „bedrohlichen Kontrollverlust“.[12] Dem verheißungsvollen Aufbruch in russischen Archiven folgte die Stagnation, der Stillstand und „nun gehen die Uhren in russischen Archiven wieder rückwärts.“[13] Archivgut bleibt gesperrt, wird wieder gesperrt oder eine genaue  Sperrfrist wird nicht festgelegt. Ausgenommen davon sind die Komintern-Akten. Hier geht die mit dem Bundesarchiv vertraglich vereinbarte Aufarbeitung zur Digitalisierung des Komintern-Archivs weiter. Gleiches gilt auch für die komplexe Bearbeitung der Bestände der SMAD 1945-1949.[14]

Über die Freigabe von Archivalien entscheidet eine interministerielle Kommission, die auch die Archivgesetze außer Kraft setzen kann. Akten aus der Stalin-Zeit geraten erneut unter Verschluss. Der alte Grundsatz, lieber geheim halten als offen legen, gilt vor allem für die sogenannte Beutekunst, darunter auch Archivalien deutscher Provenienz. Eine Geheimhaltungsphobie greift um sich. Allerdings lassen sich veröffentlichte Vorgänge nicht mehr verbieten. Nach wie vor fehlen russische Darstellungen über den großen Terror 1937[15] oder über die großen Hungersnöte im Zuge der Zwangskollektivierungen 1932/33.

Das „richtige“ Geschichtsbild soll nicht weiter besudelt werden. Für die zahllosen Verfolgten aus der Stalinzeit gibt es kein öffentliches Erinnern.

Ein überlebender Zeitzeuge aus dem GULag-System ist der frühere Medizinstudent an der Universität Halle Horst Hennig (Jg. 1926), 1950 vom sowjetischen Geheimdienst auf DDR-Territorium rechtswidrig verhaftet und nach falschen Spitzelaussagen zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, die er in Workuta unter unmenschlich schweren Bedingungen  verbringen musste. Erst 1955 nach dem Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau kam er frei. Horst Hennig setzte sein Medizinstudium in Köln  fort und ist am 16.Oktober 1992 durch den Militärstaatsanwalt der russischen Förderation  rehabilitiert worden. Damit gab sich der frühere Generalarzt der Bundeswehr, Dr. Horst Hennig, aber nicht zufrieden. Er wollte auch für seine Kameraden aus Workuta die Rehabilitierung und er hat sie für zahllose politisch verurteilte  Häftlinge erreicht. Als Zeitzeuge hat er darüber hinaus das System des GULag nicht nur beschrieben, sondern auch die historischen Hintergründe aufgedeckt. Eigenes Erleben und die spärlich aber doch vorhandenen schriftlichen Belege in russischen Archiven  haben ihn dazu befähigt. Sein Bericht „Mein Besduch in Moskau 1992/1993“ über seine erste Akteneinsicht ist ein authentisches Zeugnis für diese Arbeit:[16]

Bei einer Begegnung mit sowjetischen Militärhistorikern 1992 in Freiburg i. Br. erhielt ich eine Einladung zu einer Archivreise nach Moskau, der sich zwei weitere pensionierte Generäle der Bundeswehr anschlossen. Bei dieser Gelegenheit übergab ich einem Offizier für Öffentlichkeitsarbeit in der Ljubjanka eine in russisch verfasste Bitte um Einsichtnahme in die Gerichtsakten von 1950. Gleichzeitig vereinbarte ich einen zweiten Besuch vom 27. Juli bis 4. August in Moskau und Workuta, um die Gräber der am Schacht 29 Erschossenen aufzusuchen. Der Offizier gab spontan sein Einverständnis.

Die russische Botschaft in Bonn bestätigte, dass die Ermittlungs- und Gerichtsakten im russischen Staatarchiv der Russischen Förderation gefunden worden seien und die Überprüfung habe ergeben, dass die Verhaftung und Verurteilung der Studenten 1950 zu Unrecht geschehen  ist  1993 reisten schließlich Horst Hennig und  vier weitere damals  zu 25 Jahren Zwangsarbeit Verurteilte nach Russland. Gemeinsam wälzten sie  – öffentlichkeitswirksam, denn die Moskauer Presse, das russische Fernsehen und das ZDF waren dabei – ihre  Gerichtsakten. Ich konnte zwei ‚Verbrecher-Fotos‘ in Augenschein nehmen, berichtet Horst  Hennig,  die von mir nach meiner Verhaftung im ‚Roten Ochsen‘ zu Halle/S. – ich war damals 23 Jahre alt  – angefertigt worden waren.

Horst  Hennig bat mit Blick  auf die Opfer,   um Freigabe der Akten, auch im Interesse Russlands selbst, damit die Geschichte des Landes neu geschrieben werden kann.  Zur Erinnerung erhielt er Teile seiner persönlichen  Akte in Kopie, seine ‚Verbrecher-Fotos‘, und die Gerichtsentscheide über die Aufhebung der zu Unrecht ergangenen Urteile (‚Rehabilitierung‘) auch jener Studenten, die mit ihm verurteilt worden waren.  

Über die russische Botschaft in Bonn erhielt ich die Nachricht, dass die Ermittlungs- und Gerichtsakten im Archiv gefunden worden waren. Deren Überprüfung habe ergeben, dass die Verhaftung und Verurteilung der Studenten 1950 zu Unrecht erfolgt sei. 1993 reisten schließlich mit mir vier weitere ehemals zu 25 Jahren Zwangsarbeit Verurteilte nach Russland. Gemeinsam wälzten wir – öffentlichkeitswirksam, denn die Moskauer Presse, das russische Fernsehen und das ZDF waren dabei – unsere Gerichtsakten. Die mich betreffende Akte, in der die ‚Verbrechen‘ der sechs mitverhafteten Studenten katalogisiert waren, war ein Muster an Ordnung. Ich konnte zwei ‚Verbrecher-Fotos‘ in Augenschein nehmen, die von mir nach meiner Verhaftung im ‚Roten Ochsen‘ – ich war damals 23 Jahre – angefertigt worden waren.

Die freundlichen Beamten für Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Sicherheit der Russischen Föderation der Lubjanka baten uns gegen 11.00 Uhr in den Arbeits- und Besprechungsraum (Konferenzzimmer) Platz zu nehmen. Hier empfing uns betont wohlwollend der stellvertretende Innenminister Generalleutnant V.A. Bondarenko. In seiner Begrüßungsansprache unterstrich er an erster Stelle das ’neue Denken‘ in der Regierung und in der Administration seines Hauses. Es gäbe keinen Personenkult mehr. Er bedauere das Leiden der damaligen Häftlinge, aber das, was in der Repression möglich gewesen sei, sei heute unmöglich. Er entschuldigte sich für alles erlittene Unrecht, welches auch uns widerfahren sei. Im Namen meiner ehemals Mitverurteilten dankte ich für die Möglichkeit des Besuches, den Empfang, den Einblick in die Gerichtsakten und für die Unterstützung unseres Workuta-Besuches, wo wir der während des Streiks Erschossenen, der Verwundeten, der im Lager Verstorbenen nach 40 Jahren ehrend gedenken wollten.

Ich bat, mit Blick auf die Opfer, die Archive für die wissenschaftliche Auswertung freizugeben, damit die Geschichte geschrieben werden könne, die nach 1917, nach 1933 und insbesondere von 1945 an auch eine russisch-deutsche Geschichte sei und als solche den Interessen beider Staaten diene. Zur Erinnerung erhielt ich Teile der Akte in Kopie, meine ‚Verbrecher-Fotos‘, und die Gerichtsentscheide über die Aufhebung der zu Unrecht ergangenen Urteile (‚Rehabilitierung‘) auch jener Studenten, die mit mir verurteilt worden waren. Nach dem Besuch des KGB-Museums, das nach Weisung Andropows 1984 eingerichtet worden war, empfing uns die Militärhauptstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, in Person von Generalmajor V.N. Panitschew. Freundliches und aufgeschlossenes Entgegenkommen auch hier, was besonders in der Begrüßungsrede zum Ausdruck kam. Im Keller-Archiv befanden sich unzählige Akten-Bände mit sicherlich Hunderttausenden von Schicksalen (Das ZDF durfte filmen). Kein Mensch kennt deren genaue Zahl. Hier sollen vornehmlich § 58,6 – (Spionage)Akten lagern. Anschließend gingen wir auf die ‚Arbeitsebene‘ der nachgeordneten Behörde dieser jungen Staatsanwaltschaft, die mit unserer Vergangenheit vertraut war. Am Abend versammelten sich unsere Gesprächspartner des Tages als unsere Gäste im Hotel. Die Trinksprüche waren entsprechend. Der Höhepunkt des nächsten Tages war der Besuch bei der (zivilen) Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, Leiterin der Abteilung Rehabilitierung, Frau G.F. Wesnowskaja. Die ‚Einsetzung in frühere Rechte‘ ist für die zu Unrecht verurteilten Menschen der russischen Staaten äußerst wichtig! Damit sind u. a. erhebliche materielle Vergünstigungen verbunden. (Israel bedenkt ehemals in der SU verhaftete Menschen jüdischen Glaubens mit einer doppelten Rente.)

Schließlich aber stand uns Besuchern die Zugfahrt nach Workuta noch bevor. Dort angekommen, bezogen wir nach einer kurzen Rundfahrt durch die Stadt unser Hotel, ein aktives Sanatorium unter ärztlicher Leitung stehend. Am 1. August 1993 versammelten wir uns, um der Toten des Workuta-Aufstandes zu gedenken, gegen 11:00 Uhr, dem Zeitpunkt des Feuerüberfalls vor 40 Jahren, vor den Gräbern am Schacht 29. Von Vertretern anderer Nationen wurden Ansprachen gehalten, die in einen schwermütigen Trauergesang der Ukrainer übergingen. Auch eine amerikanische Schülergruppe zeigte sich von den religiösen Bräuchen der russischen Angehörigen und Freunde der Opfer ergriffen. Wir deutschen Zeitzeugen gingen zu Fuß Richtung Lager Nr. 10, in welchem seinerzeit auf der Lagerstraße auf Befehl des Generals und Kandidaten des ZK der KPdSU, Masennikow [Maslenikow] das Feuer auf die unbewaffneten Häftlinge eröffnet worden war.

Das Lager war dem Erdboden gleich. Ich erkannte alle Strukturen im Grundriss, sogar die zwei Blumenkübel vor der sanitätsdienstlichen Lager-Ambulanz. Hier verbrachte ich Jahre meines jungen Lebens und kämpfte täglich gegen Hunger, Zwangsarbeit und eine tödliche Kälte von bis zu 50 Grad minus um mein Überleben.

„Nach der friedlichen Revolution 1989/1990“, schreibt Horst Hennig, „waren in den Staatsicherheitsakten in Berlin keine Hinweise über die im März  1950 in Halle/S. durch die Sowjets verhafteten Studenten zu finden.“[17] Tatsächlich fand Sybille Gerstengarbe diese Hinweise über verhaftete Studenten der Universität Halle erst bei ihren Recherchen 2008. Kürzlich hat Horst Hennig seine persönlichen Haftunterlagen zusammengestellt. Die BStU hat ihm noch 2007 bescheinigt, dass über ihn keine Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR  vorliegen. [18]

Bereits 1975 hat Horst Hennig mit dem früheren Leiter des Bundesarchivs, Militärarchiv Freiburg/Breisgau, Dr. Manfred Kehrig in Kontakt gestanden. Kehrig arbeitete seit 1986 wissenschaftlich mit Moskauer Archiven zusammen und ganz besonders mit dem Historiker  Generalleutnant Prof. Dr. Dimitrij A. Volkogonow. Horst Hennig stellte den Antrag auf Akteneinsicht im russischen Geheimdienstgefängnis Lubjanka

Über Manfred Kehrig gelang es Horst Hennig, Kontakte nach Moskau zu knüpfen. Auch erhielt er zusammen mit General a.D. Dr. Günter Kießling eine Einladung in die russische Hauptstadt. 1992 folgte er der Einladung von Oberst Igor Nikolaewič Wenkow, Chef des Militärarchivs im Russischen Generalstab. Wenkow verspricht Hennigs Arbeit in den russischen  Archiven zu unterstützen.[19],  In Absprache mit dem Bundeswehrverband und der Kriegsgräberfürsorge in  Kassel folgen 1992,  1993 und 1995 Reisen nach Workuta.

Mündliche Aussagen der Betoffenen, der verhafteten und verurteilten Studenten können präziser, der historischen Wahrheit näher sein, als es geschönte Archivdokumente, trotz zeitlicher Nähe vermögen. Das Leben der verhafteten Studenten allein nach den Berichten der Lagerobersten zu ergründen, von Bürokraten, deren Aufgabe vor allem darin bestand , diese Menschen zu erfassen, sie arbeitsmäßig auszupressen und zu kontrollieren, kann nicht sein. Das ist die Perspektive der „Täter“, des Wach- und Verwaltungspersonals, der Lagerleiter und Gebietschefs des NKWD und der Funktionäre der Lagerhauptverwaltungen.[20] Tagebücher und Aufzeichnungen der stalinistischen Gewalttäter  spiegeln im hohlen Pathos nichts Eigenständiges, sondern die „Macht der bolschewistischen Rede“.[21]

In der Sowjetunion gab es seit dem Ende der 80er Jahre GULag-Erinnerungen. „Denn die offiziellen Dokumente sagen meistens etwas ganz  anderes  aus, als das, was im Gedächtnis der ehemaligen Häftlinge aufbewahrt ist.“[22]  Anders als die offiziellen Dokumente spiegeln Passfotos, als besondere Dokumentationsform, die Wirklichkeit wider. Sie vermitteln einen Hauch von Objektivität. Studenten, die von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt worden waren, sind überwiegend nach ihrer Verhaftung und den ersten Vernehmungen erkennungsdienstlich behandelt worden. Dazu wurde ein Passbild angefertigt. Ein russischer Feldwebel („Starschi“) schrieb mit Kreide Namen, Vornamen und Geburtsjahr auf das „schwarze Brett“,  das der Häftling für die Aufnahme halten musste. Dieser Vorgang war eingebettet in ein Ritual. Nach dem „Spitzel-Vorlauf“ der K 5 bzw. Staatssicherheit, einem Operativplan, der Einbeziehung des SED-Sekretärs, erfolgte die Verhaftung durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD. Die Vorermittlungen  der K 5 interessierte die Sowjets nicht. Sie versuchten von den Studenten Geständnisse zu erpressen. Die verhafteten Studenten  sollten „gestehen“, Spionage und antisowjetische Propaganda betrieben und möglichst eine konterrevolutionäre Gruppe gebildet zu haben. Das waren wichtige Voraussetzungen, um nach dem Strafgesetzbuch der UdSSR,  mit dem dehnbaren Paragraphen 58, und den Absätzen 6, 10 und 11 verurteilt zu werden. Die Gerichtsakten enthielten die Verhaftungsanordnungen mit deutscher Übersetzung, einem Durchsuchungs- und vollständigen Vernehmungsprotokoll sowie dem Urteil. „Nach dem Gerichtsurteil“, erinnert sich  Horst  Hennig, „geht der Gefangene mit einer Handakte und Foto, die später als Grundlage der Lagerakte (Lischnoe Delo), dient, auf Transport.“ Bei ihm  wurde bereits in Halle festgelegt, dass er am 7.Dez.1950 auf dem Schienenweg über Brest, Moskau, Wologda nach Workuta gebracht wird. Die Lagerakte wurde von der sowjetischen Lagerleitung am 6.Dez. 1955 geschlossen.[23]

Mit der Auflösung der sowjetischen Lager sind häufig die Akten verloren gegangen und mit ihnen die Vernehmungsfotos. In den Veröffentlichungen der Menschenrechtsorganisation  Memorial  werden diese Lücken besonders deutlich.

Als 1989/90 erstes Archivmaterial über das sowjetische Lagersystem zugänglich wird, ist das Wissen darüber ständig gestiegen. Quellen aus der GULag – Bürokratie ermöglichen sowohl quantitativ als auch qualitativ neue Einsichten. Bis 1989 konnte „das verborgene Universum der sowjetischen Lager“ nur oder beinahe ausschließlich über Zeugnisse früherer Häftlinge erschlossen werden. Plötzlich werden Massen von Akten im Staatsarchiv der russischen Förderation (GARF) zugänglich. Es entsteht eine siebenbändige Darstellung und Dokumentation zur Geschichte des GULag.[24]

Das bedeutendste literarische Zeugnis zum GULag schrieb Aleksandr Solženicyn. Der 1974 veröffentlichte „Archipel GULag“ gilt als sein Hauptwerk und als eines der einflussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts. Es ist das bekannteste Werk der – oft im Untergrund entstandenen und verbreiteten (Samisdat) – Lagerliteratur aus der Stalin- und Chrustschow -Ära in der Sowjetunion,  und die authentische Darstellung und Kritik des Stalinismus innerhalb der Literatur. Zuvor war 1962 bereits  Solženicyns Erstlingswerk „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowič“,die Schilderung eines GULag-Häftlings, in der Moskauer Zeitschrift „Nowy Mir“ erschienen.

Zwischen 1986 und 1989 folgten zahlreiche Zeitzeugenberichte, Erzählungen und Dokumentarfilme. Die Institution des sowjetischen Straflagers „ist von Anfang an integraler Bestandteil des sowjetischen Experiments, das mit Lenin beginnt.“[25] Es fällt auf, das sowjetische Historiker, anders als die Journalisten, sich des Stoffes kaum bemächtigen, „waren sie doch oftmals von der offiziellen Ideologie dauerhaft geprägt.“ Noch sind die Archive geschlossen und  Zeitzeugenberichte von überragender Bedeutung.[26]

In diesen Jahren, gegen Ende der Sowjetunion,  1989, wird der  Physiker und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow Gründungsvorsitzender der russischen Gesellschaft Memorial, die die Geschichtsschreibung der GULag-Lager maßgebend beinflussen sollte, auch durch Memorial Deutschland.[27] Memorial Russland erhielt großen Zulauf. Dieser Organisation ist es zu danken, „dass einige mit der Pression verbundene Archive ein wenig geöffnet wurden.“[28] Aber erst mit dem definitiven Ende der Sowjetunion und einem Ukaz des Präsidenten der russischen Förderation, Boris Jelzin, konnte nach und nach der gewaltige Bestand zum GULag im Staatsarchiv der russischen Förderation (GARF), das 1992 durch Zusammenlegung von zwei früher selbstständig existierenden Archiven entstand, tatsächlich zugänglich gemacht werden. Es ist dennoch nur ein Teil der „unermesslichen Bürokratenprosa, die von der wasserkopfartigen Verwaltungsstruktur des GULag jahrzehntelang verfasst wurde.“ Die örtlichen Lagerarchive, meist primitive Behausungen, sind leider nicht mehr vorhanden. [29]

Mit dem Abschied von den Gewissheiten des kommunistischen Weltbildes verändert sich auch das russische Archivwesen. Das zentrale Parteiarchiv wird 1991 verstaatlicht und verliert „den Status einer geheimen Asservatenkammer“.[30] 

Dem ausländischen „Benutzerboom“, der Euphorie, folgte bald die Ernüchterung. Deutsches, in die Sowjetunion gebrachtes Archivgut, wird 1999 als Ausgleich  für erlittene Kriegsverluste zum staatlichen Eigentum der russischen Föderation erklärt.[31] Im genannten Bundesgesetz vom Okt.2004 „Über das Archivwesen in der Russischen Förderation“ ist die Richtlinienkompetenz für archivorganisatorische Fragen zentral geregelt, d.h. speziell bevollmächtigte Bundesexekutivorgane sind damit betraut. Es gilt „die besten Traditionen der vaterländischen, darunter auch der sowjetischen Archivwissenschaft, zu bewahren.“[32]

Der Zugang zu den letzten Dokumenten über die in Moskau erschossenen deutschen Studenten „von der Bekanntgabe des Todesurteils bis zur Urteilsvollstreckung“ ist noch immer schwierig. Am Ende jeder Untersuchungsakte eines Erschossenen wird die Urteilsvollstreckung bestätigt und angeheftet. Fast immer fehlen Angaben zum Ort der Bestattung. [33] Von besonderer Bedeutung ist die Sammlung von Dokumenten über die Erschießungen im Zentralarchiv der russischen Förderation. Sie setzt 1920 ein, wichtig sind hier  für die Schicksale politisch verfolgter deutscher Studenten  die Jahre 1950-1953 im Bestand Nr. 7. Es handelt sich um Protokolle  über Urteilsvollstreckungen und Bestattungen (Einäscherung) – „neben dem Krematorium verscharrt“-  in Donskoje.[34]

Gnadengesuche konnten einen Tag nach der Urteilsverkündung gestellt werden. Sie waren fast alle mit Bleistift geschrieben, schnell übersetzt und auf einer russischen Schreibmaschine getippt. Sie enthielten immer das Datum der Übersetzung und die Unterschrift des Übersetzers.

Urteile der sowjetischen Militärtribunale unterlagen keiner Berufung und nur der Aufsicht  durch das Präsidium des Obersten Sowjet. Das Präsidium des Obersten Sowjet entwarf ein Schriftstück, das das Gnadengesuch ablehnte oder ihm stattgab. Automatisch folgte auf die Begnadigung  eine Strafe von 25 Jahren Arbeitslager. Mit einem zweiten Schriftstück bestätigte der Sekretär den Eingang des vorangegangen Schreibens. In einem dritten Schiftsatz  wird Stalin vorgeschlagen, das Gnadengesuch abzulehnen oder umzuwandeln. All diese Schreiben erreichten aber nicht Stalin, sondern eine Sonderabteilung beim Zentralkomitees der KPdSU, „die die Korrespondenz von Stalin führte.“ Die Mitglieder des Politbüros, die der Abteilung angehörten, entschieden über die Ausfertigung. An der  Entscheidung war offenbar Stalin nicht beteiligt. Diese Praxis der Begnadigung ist kaum nachvollziehbar. Es dürften „oft äußerst subjektive und zufällige Faktoren“ eine lebensentscheidende Rolle gespielt haben. Die Hinrichtungen fanden überwiegend in der Butyrka statt. Protokolle darüber sind nicht überliefert. Nach der Urteilsvollstreckung wurde ein Einäscherungsprotokoll geschrieben, die Untersuchungsakte in die letzte Form gebracht und paginiert.[35]

Mit der Demokratisierung der russischen  Gesellschaft galt es auch die Aktenfreigabe zu sichern. Zu Sowjetzeiten konnten unbegründet Dokumente geheim- und damit zurückgehalten werden. Um die Bestände benutzen zu können, mussten zuerst Findbücher angefertigt werden, wie sie in europäischen Archiven üblich sind. Vor dem Hintergrund der Rehabilitierungsprozesse  wurden zuerst die Akten über die Opfer der stalinistischen Gewaltherrschaft  während der dreißiger und fünfziger Jahre freigegeben.[36] Die unter Verschluss gehaltenen Dokumente  in ihrem Geheimhaltungsgrad herabzustufen, erwies sich als schwierig bis unmöglich. Man konnte oder wollte sich nicht darauf festlegen, „die Entsekretisierung ständig und nicht nur episodisch vorzunehmen.“[37]

Der bedeutende russische Archivar Andrej V. Doronin beschreibt, wie das russische Archivwesen verbessert werden kann: „Es muss eine kontinuierliche, für alle Glieder des föderativen Archivdienstes Russlands […] vorhersehbare, auf rechtlichen Normen begründete, von Umbrüchen im Staat weitgehend unabhängige und im gewissen Sinne autonome Archivpolitik verfolgt werden. Dafür sind Zeit, Finanzmittel, Professionalität und eine gehörige Portion Willenskraft eine unabdingbare Voraussetzung.“ [38]

Das russische Archivwesen bedarf großer Reformen, um den berechtigten wissenschaftlichen und rechtlichen Interessen der Benutzer zu genügen. Dazu sind  große Anstrengungen notwendig. Eine Grundvoraussetzung besteht darin, dass der staatliche Demokratisierungsprozess nicht rückläufig erfolgt, sondern fortgesetzt wird.


[1] Im Universitätsarchiv Halle/S. befindet sich keine Stundentenakte vom ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, dagegen ist seine  Studentenakte im Universitätsarchiv Leipzig erhalten.

[2] Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk, Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/DDR 1945 bis 1961. Berlin 2003, S.27f.

[3] So ist die Verhaftung von Werner Ihmels 1947  in Leipzig über den Nachlass des Historikers Hermann Mau nachvollziehbar.

[4] Ilko-Sascha Kowalczuk, wie Anm. 2, S.487-515.

[5] Z.B. Haftanstalt  „Roter Ochse“ in Halle/S,, NKWD-Keller Dresden, Bautzner Straße.

[6] Karl Wilhelm Fricke, Gespräch mit Gerald Wiemers am 6.Febr. 2009; vgl. die Fotos von unschuldig verhafteten Frauen vor und in der Haft bei  Annerose  Matz-Donath, Die Spur der roten Sphinx. Deutsche Frauen  vor sowjetischen  Militärtribunalen. Schnellbach 2000, S. II-X.

[7] Vgl. André Gursky, Rechtspositivismus und konspirative Justiz in der DDR. Ideologiekritische Aspekte der Arbeitsweise des MfS als Ermittlungs- und Untersuchungsorgan. Halle/S. 2009. S.162 (= phil. Diss, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ms.) [unveröff.].

[8] Jens Reich, Soll man Gesine Schwan  das Scheitern wünschen ? In: FAZ Nr.148 v. 27.Juni 2008.

[9] Sonja Margolina, Schauplatz Russland. Die Wiederverheimlichung. Der Zugang zu den Archiven wird immer mehr eingeschränkt. In: Neue Zürcher Zeitung Nr. 63 v. 16.März 2006. 

[10] Marietta Tschudakowa zitiert bei Jens Hartmann, Russland: eine Chance für die historische Wahrheit. In: Welt online v. 18.Juni 2007; vgl. auch Anm. 6.

[11] ND-Interview mit Jakow S. Drabkin, in: Neues Deutschland, Berlin, 3.Mai 2008.

[12]    Zu  Alla Koiten  vgl. Anm. 6.

[13]  Markus Wehner, Gescheiterte Revolution. In den  russischen  Archiven werden die Akten wieder zugemacht. Die dunklen Seiten der Geschichte sollen nun im Verborgenen ruhen. In: Frankfurter Sonntagszeitung Nr. 25 v. 22.Juni 2008.; vgl. Anm. 6.

[14]  Hermann Schreyer, Verwaltungsreform und Archivgesetz. Aktuelle Probleme des Archivwesens der Russischen Föderation. In:  Archive und Gedächtnis. Festschrift für Botho Brachmann. Hrsg. v. Friedrich Beck u.a. Berlin-Brandenburg 2005,    S.352f.

[15] Vgl. Karl Schlögel, Terror und Traum. Moskau 1937. München 2008 und Bonn 2008. 812 S. (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 733).

[16]  Horst Hennig, Mein Besuch in Moskau 1992/93. In: Sybille Gertsengarbe u. Horst Hennig: Opposition, Widerstand und Verfolgung an der Martin-Luther Univdersität Halle-Wittenberg von 1945-1961. Eine Dokumentation. Leipzig 2009. S. …. 

[17] Horst Hennig an Dr. Günther Wagenlehner, Köln 28.Juli 1999 [privat].

[18] Horst Hennig: Archiv – Dokumente aus den Ermittlungsverfahren  der „K5“ (später Stasi) der Aussenstelle BStU Halle (1950) und ces KGB-Archiv Moskau. Gerichts- und Lagerakte in Spiegel der Opposition einer Studentengruppe der Universität Halle. Köln 2009. 38 S. [Ms. 38 S., privat].

[19] Igor Nikolaewič Wenkow an Horst Hennig, Moskau 25.Juni 1992 [privat].

[20] Nicolas  Werth, Der GULag im Prisma der Archive. In: Osteuropa 57 (Juni9 2007) H.6: Das Lager schreiben.  Sarlam  Šalamov und die Aufarbeitung des GULag , S.15, 24.

[21] Jörg Baberowski, Arbeit an der Geschichte . Vom Umgang mit den Archiven. In: Stefan Creuzberger, Rainer Lindner (Hrsg.): Russische Archive und Geschichtswissenschaft. Frankfurt/Main 2003. S.26 (= Zeitgeschichte, Kommunismus, Stalinismus. Materialien und Forschungen, Band 2).

[22] Irina Scherbakowa, Gefängnisse und Lager im Sowjetischen Herrschaftssystem. In: Formen der Erinnerung – Archive. Frankfurt/Main 1999, S.581f.

[23] Horst Hennig  an Gerald Wiemers, 4.Febr. 2009.

[24] Nicolas Werth, Der GULag im Prisma der Archive. In: Osteuropa Jg. 57 (Juni 2007) H.6: Das Lager schreiben.  Sarlam  Šalamov und die Aufarbeitung des GULag. S.9, wie Anm. 18.

[25]  Ebda. S.12.

[26]  Ebda, S.13.     

[27]  GULag. Das Lagersystem  in der UdSSR. Berlin 2006. Diese verdienstvolle Publikation mit zahlreichen Übersetzungen russischer  Materialien ist leider bei uns noch viel zu wenig bekannt. Der Inhalt ist auch über das Internetportal oder eine CD-ROM, herausgegeben von Memorial Deutschland, abrufbar.

[28]  Nicolas Werth, Der GULag im Prisma der Archive. Wie Anm.20, S.14.

[29] Ebda, S.14 u. 21.

[30]Andrej V. Doronin, Von Zentralen Parteiarchiv (CPA) zum Russischen Staatsarchiv für Sozial- und Politikgeschichte (RGASPI), wie Anm. 15,  S.83.

[31] Schreyer, wie Anm. 11,   S.343 f.

[32] Ebda, S.351.

[33] Arsenij Roginskij, „Um unverzügliche Vollstreckung des Urteils wird ersucht“. Letzte Dokumente über die von 1950-1953 in Moskau erschossenen Deutschen. In: „Erschossen in Moskau…“ Die deutschen Opfer  des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950.-1953. Hrsg. v. Arsenij Roginskij, Jörg Rudolph, Frank Drauschke u. Anne Kaminsky. Berlin 2005. S.37f.

[34] Ebda. S.39-41.

[35] Ebda. S.45f., 50f., 54, 62-65.

[36] Oganes V. Marinin, Das Staatsarchiv  der Russischen Förderation (GARF). Freigabe und Nutzung neuer Bestände,  wie Anm. 15,   S.104.

[37] Ebda S.106

[38] Doronin, wie Anm. 22, S.90.